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IST DIE LOHNARBEIT NACHHALTIG?

Autorenbild: Günter ThomaGünter Thoma

Lohnarbeit wird unter dem Nachhaltigkeitsziel (SDG) 8 aufgeführt. Sie sei dann nachhaltig, wenn die Beschäftigungsverhältnisse sicher sind und die Jobs nicht krank machen, wenn die Arbeit fair bezahlt wird und sinnvoll ist. Nun sind jedoch erhebliche Zweifel angebracht, dass das System der Lohnarbeit nachhaltig ist bzw. künftig sein kann. Hierfür gibt es vor allem die folgenden Gründe:


Missstände im Lohnarbeitssystem

Schon jetzt herrschen zahlreiche Missstände, die nachhaltiger Arbeit im obigen Sinne entgegenstehen oder diese verhindern.  Und diese werden in Zukunft noch zunehmen. Zu den Missständen gehören unter anderen

·         Beschäftigungslosigkeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die die Sicherheit von Arbeit unterminieren.

·         Leistungsdruck, Zeitdruck und Mehrarbeit sind Stressoren, die dazu führen, dass immer mehr Menschen durch Arbeit krank werden. Es fehlt nicht an gesundheitsfördernden Maßnahmen, aber es ist paradox: je mehr für die Gesundheit getan wird, je mehr Angebote zur Vorbeugung, desto kränker werden die Erwerbstätigen.

·         Wenn man Umfragen Glauben schenken will, so steigt die Zahl der Menschen, die ihre Arbeit für sinnlos halten. David Graeber hat in seinem Bestseller „Bullshit Jobs“ herausgearbeitet, dass sinnlose Jobs solche sind, die unnütz sind und keinen Mehrwert erbringen und dass die Menschen, die einen solchen Job haben selbst wissen, dass sie was Sinnloses tun. Folglich sind sie sehr unzufrieden und haben häufig innerlich gekündigt. Darüber hinaus wird Arbeiten insofern sinnloser, wenn bereits von allem genügend da ist und durch weiteres Arbeiten nur noch mehr materieller Wohlstand angehäuft wird, ohne dass dieser gebraucht wird.

 

Technologisierung der Lohnarbeit

Lohnarbeit ist ein Mittel zur Produktion von Waren und Dienstleistungen. Darüber hinaus dient sie Unternehmen als ein Mittel um Gewinn zu erzielen. Lohnarbeit muss sich also lohnen. Findet sich ein anderes Mittel, das diese Zwecke besser erfüllt, so hat Lohnarbeit das Nachsehen. Dieses Mittel ist die Technologisierung der Arbeit, die nun mit der Digitalisierung einen enormen Schub erfährt. Künftig werden menschliche Arbeitskräfte systematisch durch technologische ersetzbar. Richard David Precht, der sich eingehend mit der Entwicklung und der Zukunft der Arbeit beschäftigt hat, zieht beispielsweise den Schluss: „Aber ist es denn nicht naheliegend oder sogar äußerst wahrscheinlich, dass Millionen von Buchhaltern, Finanzbeamten, Verwaltungsfachleuten, Juristen, Steuerberatern, Lkw-, Bus- und Taxifahrern, Bankangestellten, Finanzanalysten, Versicherungsagenten und so weiter schon bald nicht mehr gebraucht werden? Jede Tätigkeit, deren Routinen algorithmierbar sind, ist prinzipiell ersetzbar.“ (Jäger, Hirten, Kritiker: Goldmann Verlag, München, 6. Auflage, 2018, Seite 23-24). Viele Autoren verweisen, wie Precht darauf, dass die Digitalisierung weit mehr Arbeitsplätze vernichtet als neue schafft. Die Folge wäre Massenarbeitslosigkeit.

Nun könnte man fragen: Wie aber ist das möglich, wo doch Arbeit an sich unendlich ist. Das hängt damit zusammen, dass Lohnarbeit als vorherrschende Arbeit eine begrenzte Form von Arbeit ist. Lediglich die Arbeit, die für Arbeitgeber relevant ist, wird nachgefragt und als Arbeitsplatz angeboten. Der Arbeitsmarkt gleicht einem Flaschenhals, der nur die Lohnarbeit durchlässt. Wird nun genau diese automatisiert, so entsteht Massenbeschäftigungslosigkeit inmitten unendlich viel Arbeit. Das Ziel der Vollbeschäftigung wäre nicht mehr erreichbar. Das Lohnarbeitssystem könnte Massenarbeitslosigkeit nicht mehr beseitigen. Seine Nachhaltigkeit wäre dahin.

 

Grenzen des Wirtschaftswachstums

Im SDG 8 sind interessanterweise Wirtschaftswachstum und Lohnarbeit zusammengefasst. Sie hängen offensichtlich aufs Engste zusammen. Sie bedingen und benötigen einander: Je mehr Wachstum, desto mehr Jobs werden generiert. Und je mehr Menschen arbeiten, desto mehr Güter und Dienstleistungen werden hergestellt und somit das Wachstum gesteigert.

Nun stößt das Wachstum jedoch an Grenzen:

·         Wachstum ist immer schwieriger zu erzielen, weil Märkte zunehmend gesättigt sind und der globale Wettbewerb dafür sorgt, dass der Anteil am zu verteilenden Kuchen für alle Beteiligten kleiner wird.

·         Wachstum treibt den Raubbau an der Natur voran und trägt zur Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen bei. Darüber hinaus beschleunigt er den Klimawandel.

·         Wachstum hebt nicht mehr den allgemeinen Wohlstand, sondern vergrößert (in den entwickelten Ländern wie Deutschland) die Kluft zwischen arm und reich.

Entweder wir verzichten freiwillig auf Wirtschaftswachstum und beginnen uns an einer Post-Wachstums-Ökonomie zu orientieren oder das Wachstum wird sich selbst seine Grundlagen entziehen. So gesehen ist Wachstum nicht nachhaltig und kann es auch nicht sein, denn unendliches Wachstum in einer endlichen Welt ist ein Widerspruch in sich und kann nicht gut gehen.

Ohne Wirtschaftswachstum jedoch schnellt die Beschäftigungslosigkeit in ungeahnte Höhen. Denn es ist das Wachstum, das Jobs schafft und das den Verlust an Jobs aus der Automatisierung der Arbeit wettmacht.  Wir befinden uns demnach in einem Teufelskreislauf: Mit Wachstum stoßen wir an Grenzen, die Krisen verursachen und weiteres Wachstum verhindern. Ohne Wachstum überlebt unser Lohnarbeits- und Sozialsystem nicht.

Bezogen auf unser Thema und den Zusammenhang mit Lohnarbeit bedeutet dies: Wachstum ist nicht nachhaltig und dieser Umstand begrenzt die Nachhaltigkeit der Lohnarbeit.

 

Wunsch nach mehr Zeitwohlstand

Die Lebenssituation vieler Menschen in Deutschland charakterisiert sich durch hohen materiellen Wohlstand, aber durch Mangel an Zeit. Der Job frisst mehr und mehr Zeit vom Tag auf: es sind nicht nur die 8 Stunden Arbeit täglich, sondern das ganze Drumherum, das der Job mit sich bringt: Überstunden, Pendeln, Weiterbildung, Arbeit mit nach Hause nehmen, Vorsorgemaßnahmen, um für den Job fit zu bleiben (Fitness, Sport usw.). Für viele dreht sich im Grunde das Leben um den Job. Folglich nimmt der Wunsch nach frei verfügbarer Zeit zu. Dies zeigt sich an der aktuellen Diskussion um die 4-Tage-Woche. In der Tat stellen die Menschen die richtige Frage: ist es nicht an der Zeit weniger zu arbeiten, wenn wir einen solchen materiellen Wohlstand erreicht haben? Stellt es nicht die konsequente Belohnung dafür dar, dass wir als Arbeitsgesellschaft so viele Jahre so hart gearbeitet haben und nun einen Lebensstandard erreicht haben, den wir nicht weiter steigern müssen?

 

 

Fazit

Das Lohnarbeitssystem stößt an seine Grenzen. Insofern ist es nicht nachhaltig. Dies gilt nicht nur für Deutschland. Werfen wir nur einen kurzen Blick in die sogenannten sich entwickelnden Länder, die von Massenbeschäftigungslosigkeit, Unterbeschäftigung und prekären Beschäftigungsverhältnissen geplagt sind. Das Lohnarbeitssystem schafft es nicht, für Abhilfe zu sorgen. Allein die schiere Zahl der Menschen, die dort in Jobarbeit integriert werden müssen, überfordert das Jobsystem. Noch niemand hat aufgezeigt, wie all die Menschen in den wuchernden Slums zu Jobs kommen sollen. Hier zeigt sich mehr als deutlich, dass das Lohnarbeitssystem nicht halten kann, was es verspricht.

Es ist an der Zeit, das Monopol der Lohnarbeit aufzubrechen und neue Formen von Arbeit neben ihr zu etablieren, um ein wirklich nachhaltiges Arbeitssystem zu schaffen. Genau das ist das Anliegen des Konzepts „New Work“ von Frithjof Bergmann.

 

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