Wie die Befürworter der Vier-Tage-Woche plädiert „New Work“ für Arbeitszeitverkürzung. Wie Untersuchungen zeigen, hat Arbeitszeitverkürzung mehr Vorteile als Nachteile. Wesentliche Vorteile sind:
Arbeitskräfte müssen mittlerweile in allen Bereichen Höchstleistung erbringen. Dies ist nur unter der Bedingung möglich, wenn man weniger arbeitet. Um einen Vergleich zu bemühen: Kein Profifußballer kann jeden Tag die nötige Leistung für ein Champions-League-Spiel abrufen, ohne sich zu verausgaben. Der Vollzeitjob ist also für weitere Leistungssteigerungen hinderlich.
Teilzeit zu arbeiten ist nachhaltiger für Menschen als in Vollzeit, d.h. sie können dauerhaft ihre Arbeitskraft erhalten, weil sie mehr Zeit für Regeneration haben und die Missstände des Jobsystems sich nicht so gravierend auf ihre Gesundheit auswirken.
Die Produktivität von Teilzeitkräften ist im Durchschnitt höher als die von Vollzeitkräften.
Weniger Arbeitszeit schafft eine Work-Life-Balance und somit zufriedenere Mitarbeitende. Dies führt zu einer besseren Mitarbeiterbindung – in Zeiten von Fachkräftemangel nicht unwesentlich für Arbeitgeber.
Mehr und mehr Menschen bevorzugen mittlerweile Zeitwohlstand gegenüber noch mehr materiellem Wohlstand.
Arbeitszeitverkürzung liegt im historischen Trend: in Deutschland geht die formale Arbeitszeit seit mehr als 100 Jahren stetig zurück: von der 6-Tage-Woche zur 5-Tage-Woche – und jetzt möglicherweise zur 4-Tage-Woche. Dann die Reduzierung der täglichen Arbeitszeit auf 8 Stunden und weniger sowie die geringere Jahresarbeitszeit durch mehr Urlaub und Regeln wie Vorruhestand und Altersteilzeit. Diese Verkürzung der Arbeitszeit ist möglich, weil Produktivitätssteigerungen mittels technologischen Fortschritts erlauben, immer mehr Güter mit weniger Arbeitszeit herzustellen. Die Forderung bzw. Möglichkeit von Arbeitszeitverkürzung ist also ein Ergebnis bzw. die Kehrseite von wirtschaftlichem und technischen Erfolg.
Allerdings geht die Forderung nach der 4-Tage-Woche nicht weit genug. Außerdem ist sie eine isolierte Forderung ohne von Begleitmaßnahmen flankiert zu werden. Insofern ist sie mit folgenden Problemen konfrontiert:
Bei der 4-Tage-Woche ist die Gefahr groß, dass in den 4 Tagen die gleiche Arbeitslast zu erledigen ist wie vorher in 5 Tagen. Dies würde zu mehr Arbeitsverdichtung, zu mehr Überstunden, zu mehr Druck und zu mehr Stress führen. Außerdem kann die 4-Tage-Woche sehr schnell dazu dienen, Schwankungen in der Produktion abzufedern. Das heißt: man kann 4 Tage arbeiten, wenn die Auftragslage gering ist; muss aber parat stehen, wenn mehr zu tun ist. Folglich ist der freie Tag nicht wirklich frei und dauerhaft planbar, weil man auf Abruf steht. Die 4-Tage-Woche wäre dann nicht viel mehr als ein Element der sogenannten Flexibilisierung der Arbeit, die seit geraumer Zeit um sich greift, um die Mitarbeiter an die sich verändernden betrieblichen Herausforderungen anzupassen.
Ein Tag pro Woche zusätzlich frei zu haben, reicht gerade aus, sich genügend zu erholen, angesichts zunehmender Arbeitsbelastung. Erst wenn man nur zwei oder maximal drei Tage pro Woche einem Job nachgeht, wie New Work das vorschlägt, hat man genügend freie Zeit, sich neue Lebens- und Arbeitsformen jenseits des Arbeitsmarkts zu erschließen und sich so unabhängiger von der Jobarbeit zu machen. Schließlich würden viele Menschen noch weniger arbeiten oder ganz der Jobarbeit entsagen, wenn sie eine Alternative hätten.
Setzt sich die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich durch, so wird die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft leiden. „New Work“ hingegen ermöglicht arbeitenden Menschen außerhalb des Jobsystems neuer Arbeit nachzugehen, die auch zum Lebensunterhalt beiträgt, so dass sie nicht auf Lohnausgleich bestehen muss.
Die Forderung nach der 4-Tage-Woche ändert nichts an den Missständen im Jobsystem, denen die Menschen weiterhin ausgesetzt wären und hat auch sonst nicht den Anspruch auf eine grundlegendere Reform. Insofern bleibt sie in ihrer Wirkung sehr begrenzt. Für eine wirkliche Veränderung bedarf es bezüglich der Arbeitszeit viel weitgehendere Ansätze, die zugleich eingebettet sind in ein Gesamtkonzept zur Reform des herrschenden Arbeitssystems.
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